Tina Flau: Linien werden zu Wasser

Von Tina Flau (* 1962) gibt es bereits eine lange Reihe von Künstlerbüchern, die meist literarische Texte, oft auch Lyrik, zum Ausgangspunkt haben. Ihre Ritzarbeiten auf transparentem Untergrund zeugen von Präzision und Kunstfertigkeit. Wie in ihrer Druckgraphik und in ihren Zeichnungen formen auch hier feinste Linien das Bild. Dank des transparenten Untergrundes kann der Text im Raum stehen, der Blick auf das Dahinter ist offen.

Goethes „Gesang der Geister über den Wassern“ entstand, nachdem er 1779 auf seiner zweiten Reise in die Schweiz im Tal von Lauterbrunnen den Staubbach, einen aus 300 Metern Höhe mit nebliger Gischt senkrecht abschießenden Wasserfall, besichtigt hatte. Der Anblick bekräftige seine pantheistische Weltsicht: Der Mensch ist Teil des natürlichen Kreislaufs von Werden und Vergehen. Das Wasser fällt vom Himmel, findet seinen Lauf und verdunstet wieder nach oben. Der Wasserfall ist für den Menschen die Jugend, die Klippen die Gefährdungen des Lebens, der langsame Lauf das Älterwerden, das Zusammenspiel von Wind und Wasser die Mäander des Lebens.

 Nimmt man Goethes Gedicht als Vorlage, stellen Tina Flaus Ritzzeichnungen dazu die verschiedenen Zustände von Wasser und damit von Leben dar: vom herabstürzenden Wasserfall, den Strudeln und Mäandern eines Wasserlaufes bis hin zu feinsten Tröpfchen und Wolkenbildungen. Ob gepunktet oder ob schraffiert, immer sind es fein ziselierte Linien. Und die Spiegelungen im Material gleichen denen im Wasser.

Goethe, Johann Wolfgang von und Tina Flau: Gesang der Geister über den Wassern. Potsdam, 2009. 8 Seiten mit handgeschriebenem Text (3 S.) und Ritzzeichnungen auf transparenter Acrylfolie. 31 x 15,5 cm, Leoporello in festem, handvernähten Acrylschuber. 650,00 €

Eines von 14 Exemplaren, auf der letzten Seite von der Künstlerin num. und sign.

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